Das Thema des Abends: „Finanzplatz Frankfurt und Brexit“Das Referendum der Briten für den Austritt aus der EU liegt jetzt schon 14 Monate zurück. Was ist seitdem passiert? Am schnellsten hat sich der Begriff „Brexit“ als semantische Variation des fast schon vergessenen „Grexit“ etabliert. Unklar ist, ob das Ausscheiden der Briten bereits im März 2019 erfolgen wird – Großbritannien drängt nämlich auf Übergangsfristen. So scheint man auf der Insel langsam erkannt zu haben, dass ein Austritt aus der EU vielleicht doch keine so gute Idee war und die Kosten deutlich höher ausfallen könnten als der vermeintliche Nutzen. Die verbleibenden 27 EU-Mitgliedstaaten treten erstaunlich einheitlich auf und erreichen damit eine starke Position. Angesichts der zu bewältigenden Themen und der eher schleppend verlaufenden Verhandlungen tickt die Uhr zum Countdown sehr laut. Dabei ist das Qualifying der Marktteilnehmer in vollem Gang: Die britische Währung ist seit dem Referendum unter Druck. Der dortige Immobilienmarkt neigt zur Schwäche und entlang der Themse ist die Dauerfahrt auf der Überholspur beendet.
Betriebsamkeit ist unter den Banken zu beobachten. Sollten nämlich die derzeit aus London heraus operierenden Banken den sogenannten EU-Pass verlieren, müssten sie sich für ihr europäisches Geschäft einen neuen Standort innerhalb der 27 EU-Länder suchen. Damit ist das Rennen der europäischen Finanzplätze um die Brexit-Banker eröffnet. Frankfurt sehen wir in der Pole-Position im Wettbewerb der „Places to be“ für die Finanzbranche. Wie wir in mehreren Studien anschaulich nachgewiesen haben, ist die Main-Metropole in Kontinentaleuropa der Finanzplatz Nr. 1. So überrascht es nicht, dass sich bereits zahlreiche Institute für eine Verlagerung von Geschäftsaktivitäten nach Frankfurt ausgesprochen haben. Natürlich sind auch andere Finanzplätze gut im Rennen. Gemessen an den derzeit vorliegenden Verlautbarungender Banken liegt Frankfurt aber vorne. Wie viele Banken mit welcher Belegschaft Brexit-induziert letztendlich kommen, lässt sich nach wie vor nur grob abschätzen. Angesichts der erstklassigen Ausgangsposition hat der Finanzplatz Frankfurt jedoch gute Chancen auf mindestens die Hälfte der von der Themse abwandernden Finanzjobs. Unter zurückhaltenden Annahmen wären dies über einen Zeitraum von mehreren Jahren mindestens 8.000 Mitarbeiter. Spürbar dürfte dies schon im kommenden Jahr werden. Die Zuwanderer aus London, die gerade bei weltweit tätigen Banken nicht nur gebürtige Briten sind, werden Frankfurt als eine sehr internationale Stadt erleben. Derzeit sind hier Menschen aus 177 Nationen heimisch und der Zuzug nach Frankfurt hat in den letzten Jahren enorm zugenommen.
Das internationale Flair bei gleichzeitiger Bodenständigkeit sowie guter Erreichbarkeit naher und ferner Ziele erfreut sich hoher Beliebtheit. Seit 2013 ist die Bevölkerung jährlich um durchschnittlich 15.000 Personen gestiegen. Eine zunehmende Einwohnerzahl ist für eine Stadt aber auch eine Herausforderung, an der ständig gearbeitet werden muss – das lässt sich nicht verschweigen. So wie im Motorsport Erfolge nicht durch eine One-Man-Show zu Stande kommen, bedarf es im regionalen Miteinander einer großen Teamanstrengung. Dies gilt insbesondere für die Themen rund um den Wohnungsmarkt und die intellektuelle Infrastruktur, die für alle wachsenden Großstädte typisch sind. Als Metropole mit ausgeprägter bürgerlicher Tradition und engagierten Unternehmen sollte es aber mit Unterstützung durch das gesamte Rhein-Main-Gebiet möglich sein, für ausreichende materielle, räumliche und personelle Ressourcen zu sorgen. Gut vorbereitet sind die Chancen also hoch, dass Frankfurt als erster Finanzplatz die schwarzweiß karierte Zielflagge passiert.
Die über 80 Veranstaltungsteilnehmer diskutierten im Anschluss an den Vortrag intensiv über dieses Thema.
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